Sehr geehrter Herr Kilic,
"Wenn es triftige Gründe gibt, dann kann die Beschneidung im Islam wie im Judentum für eine e zurückgestellt werden. Das Kölner Urteil ist so ein triftiger Grund – und für die Religionsgemeinschaften gilt, dass sie den Rechtsstaat respektieren müssen." Dieses Zitat habe ich Ihrem Interview entnommen, das Sie der taz gegeben haben und das am 26.7.2012 veröffentlicht wurde. Quelle:
www.taz.de
Gilt Ihre Aussage, Herr Kilic, auch umgekehrt? Wenn es triftige Gründe gibt, dann gilt für den Rechtsstaat, dass er die Religionsgemeinschaften respektieren muss?
Zum Beispiel wenn nach einem rechtsstaatlichen Verfahren Asylbewerber abgeschoben werden sollen, obwohl eine Kirchengemeinde ihnen Kirchenasyl ermöglicht. So hat die grüne niedersächsische Landtagsabgeordnete Elke Tweesten, sich im Herbst 2010 für Roma-Frauen im Kirchenasyl stark gemacht.
www.rotenburger-rundschau.de
Aus Sicht der islamischen und jüdischen Religionsgemeinschaften ist ein staatliches Beschneidungsverbot, dass Sie Herr Kilic fordern, ganz sicher ein triftiger Grund, den "Respekt des Rechtsstaates" einzufordern. Aus Sicht dieser Religionsgemeinschaften ist die Beschneidung eine Hygienemaßnahme, die den Jungen nicht schadet sondern nutzt, was ja auch von sehr vielen und nicht nur von religiös gebundenen Ärztinnen und Ärzten so beurteilt wird.
Sie Herr Kilic unterstellen dem Islam, er halte die Beschneidung deshalb für ausschlaggebend wichtig, weil es in "... heiligen Büchern gepredigt wird..." und werfen dem Islam vor, dass er nicht in der Lage sei, die Beschneidung im "... Licht der Vernunft und des medizinischen Fortschritts ..." neu interpretieren zu können. Darin sehe ich die Gefahr, eines gefährlichen "Aufklärungs- Fundamentalismus". Deshalb meine Frage: Muss in der aktuell diskutierten Frage der Beschneidung von Jungen nicht auch der Rechtsstaat die Religionsgemeinschaften respektieren?